Outing

Als Outing bezeichnet man den Prozess, anderen gegenüber zu den eigenen Neigungen zu stehen. Es gibt immer wieder Diskussionen, ob es überhaupt sinnvoll sei, sich zu outen, ob man damit ein unnötiges Risiko eingehe, seine Freunde nerve und vielleicht sogar um Freundschaften oder gar den Arbeitsplatz fürchten müsse …

Outing vor sich selbst

Aller Anfang ist schwer und beginnt bei der Realisierung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Viele haben schon lange entsprechende Fantasien, verdrängen diese aber lieber, da sie nicht gesellschaftskonform sind. Ein Mann, ein ganzer Kerl, lässt sich doch nicht schlagen und schon gar nicht erniedrigen. Mann schlägt seine Frau nicht. (Das ist prinzipiell auch gut so und wird aus gutem Grund bestraft. Allerdings kann es passieren, dass einem das Selbstbild als friedfertiger, zuvorkommender Lebenspartner beim einvernehmlichen Ausleben gemeinsamer Fantasien im Wege steht.) Auch Frauen haben es da kein Stück leichter. Ist es nicht Verrat an den Idealen der Frauenbewegung, wenn Frau sich freiwillig unterordnet oder gar schlagen lässt… ?
Der erste Schritt ist daher, die eigenen Fantasien als Lust bringend und unschädlich zu realisieren.

Outing vor Gleichgesinnten

Obwohl man bei Gleichgesinnten zumindest mit Verständnis rechnen darf, muss anscheinend in vielen Fällen erst eine Hemmschwelle überwunden werden, um sich zu einem Stammtisch zu trauen – heutzutage geht dem oftmals eine Odyssee durchs Internet incl. diverser Chats voraus, da dieses Medium noch weitgehende Anonymität bietet. Aber gerade diese Anonymität ermöglicht es, ein Selbstbild zu generieren, das der Realität nicht unbedingt standhält. In den virtuellen Partner projizierte Hoffnungen und Erwartungen sind schon so manches Mal beim ersten realen Treffen wie eine Seifenblase zerplatzt. Manch ein Super-Dom entpuppt sich dann als zwar ambitionierter, aber gehemmter Anfänger.
Der Austausch mit anderen Szenemitgliedern und deren Offenheit führen mit der Zeit zu der Bereitschaft, sich auch anderen gegenüber zu öffnen.

Outing vor Vanillas

„Warum soll ich mich denen gegenüber als BDSMler outen, die erzählen mir ja auch nichts von ihrer Sexualität!“

Dieser Satz fällt mit schöner Regelmäßigkeit in Outingdebatten und die Antwort darauf ist natürlich:

Weil mich das Thema sehr beschäftigt, ich mich mit meinen Freunden darüber unterhalten mag und weil ich es leid bin, mein Spielzeug immer zu verstecken, wenn ich Besuch bekomme.

Sollte die rhetorische Frage nur vorgeschoben sein, um nicht einzugestehen, dass man Angst vor einer eventuellen Ablehnung durch die Freunde hat, so sei angemerkt, dass eben diese Ablehnung vermutlich auf Vorurteilen bzgl. ’sadomaso‘ – bekannt aus den Sensationsmedien – basiert. Diese Vorurteile, die die Ursache der eigenen Ängste vor dem Outing sind, lassen sich nur ausräumen, indem möglichst viele Menschen offen zu ihren Neigungen stehen und damit zeigen, dass sie ansonsten ganz normale, liebenswerte Menschen sind.
Eine mögliche Reaktion auf ein solches Outing kann sein, dass sich die vermeintlichen Freunde von einem abwenden, aber ob das dann ein wirklicher Verlust ist, mag jeder für sich selbst beantworten.
Ebenso gut kann es sein, dass dieser erste Schritt zur Offenheit dazu führt, dass auch der Gegenüber mit privaten Dingen rausrückt und die Freundschaft anschließend offener und intensiver ist.
Die häufigste Reaktion – mit der man vielleicht am wenigsten rechnet, weil es für einen selbst so eine aufregende Sache ist – ist schlicht neutrale Gleichgültigkeit.

Ein Kollege fragte mich mal, was das denn für eine komische Flagge an meinem Auto sei. Ich schluckte einmal und setzte dann an:

Mit Aufklebern an Autos outen sich viele Menschen. Die mit einem Fisch haben vermutlich was mit dem Fischereigewerbe zu tun, … „Oder sie sind gläubig“, ergänzte mein Kollege.
Die mit einer Regenbogenfahne sind je nachdem schwul oder lesbisch… „Ach, ich dachte, die seien bei Greenpeace“, kommentierte mein Kollege erstaunt.
Und die mit der Leatherprideflag haben was mit SM zu tun. „Ach, so einer bist du“, grinste mein Kollege und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

An unserem Umgang miteinander hat sich dadurch nichts geändert – außer dass ich mir jetzt nicht mehr zweimal überlege, ob ich mich mit einer Bemerkung verraten könnte. 🙂 Und als später mal eine „komische“ Bemerkung zu SMlern fiel, sah ich an seinem Blick, dass er jemanden kennt, auf den dieses Vorurteil offensichtlich nicht zutrifft…

Dieses Verhalten erscheint mir typisch für gebildete Menschen, aber man sollte ihre Toleranz auch nicht überstrapazieren. In den meisten Fällen reicht das prinzipielle Wissen um die vom Normalen abweichenden Bedürfnisse unter Auslassung all der Details. Ich wäre auch wenig begeistert, wenn ein Freund mir nicht nur erklärt, dass er neuerdings Golf spielt, sondern mir auch noch seine neueste Ausrüstung zeigt und mich zu missionieren versucht, ebenfalls diesem Club beizutreten.
Dieses lässt sich auch auf den Arbeitgeber übertragen, der sich im allgemeinen für das Privatleben seiner Mitarbeiter überhaupt nicht interessiert, solange das den im Job zu erbringenden Leistungen nicht im Wege steht. Und es ist immer einfacher, von vornherein für klare Fronten zu sorgen, als sich im Nachhinein hinter dem eigenen Rücken kursierenden Gerüchten entgegenzustellen.

Ob und wem gegenüber man sich outet, muss jeder für sich selbst entscheiden, aber generell lebt es sich entspannter, wenn man keine Angst vor einer Entdeckung haben muss.

© 2002, Arne, BDSM-HowTo.de